Als
ich ankomme, sind die Tische
schon
längst aufgebaut.
Eine lange Schlange an Menschen will sich vor Ort Kopfhörer holen,
eine noch viel längere Schlange hat sich
die Kopfhörer im Vorfeld reserviert. Die
Sonne strahlt. Junge Leute
mit Kopfhörern sitzen über die Wiese verteilt und unterhalten sich
gelassen. Menschen mit weißen „Ende Gelände - Anzügen“ stehen
neben einem großen Transparent,
eine Gruppe in schwarz sitzt
etwas abseits an einer Mauer. Es gibt einen Tisch,
an dem Menschen geschminkt werden, einige Kinder rennen über die
Wiese. Viele unterschiedliche Menschen sind dieses Jahr bei der
Silent Climate Parade in Hannover, um auf die Klimakrise aufmerksam
zu machen.
Zum Auftakt gibt es ein paar einleitende, motivierende Worte. Aber es wird auch angesprochen, dass es nicht immer leicht ist, sich mit einem Thema wie der Klimakrise in einem so positiven Format auseinander zu setzen.
„Erscheint
es nicht auch ein bisschen unpassend im Angesicht der aktuellen
Probleme, sich Kopfhörer aufzusetzen und zu tanzen?
Erscheint
es nicht unsinnig zu protestieren ohne jeden Lärm?
Erscheint
es nicht ein bisschen verrückt Freude und Lebenslust zu zelebrieren
im Dasein einer weltumfassenden drohenden Katastrophe?“
Allen ist klar, was für Auswirkungen die Klimakrise hat und wie dringend gehandelt werden muss. Und genau das wollen wir mit unserem Protest zeigen.
„Protest hat viele Formen und dies ist unserer ganz eigene Aktionsform. Wir sind leise und doch lautstark!“
Gemeinsam
setzen sich die rund 500 Menschen
in Bewegung. Zwischen ihnen fahren Lastenfahrräder mit DJ*anes.
Durch drei Kanäle ist fast jeder Musikgeschmack dabei.
Alle
tragen Kopfhörer und machen bei Sprechchören wie „What do we
want? Climate justice“ oder „solid as a rock“ mit. Gleich an
der ersten Kreuzung fordern die Tanzenden eine autofreie Innenstadt,
aber nicht, ohne den Autofahrer*innen zu erklären, dass sie
sie „trotzdem lieb” haben.
Am Trammplatz, dem Ort der Zwischenkundgebung, teilen sich die Demonstrant*innen in zwei Gruppen. Gleichzeitig fangen sie an, auf den Trammplatz zu rennen und fallen dort, als sie aufeinander treffen, auf den Boden.
„Eben sind wir symbolisch gestorben“, fängt mein Redebeitrag an.
„Für all die Menschen, die der Klimakatastrophe bereits zum Opfer gefallen sind. Hunger, Krankheiten, Existenzverlust betreffen vor allem Menschen des globalen Südens. Uns scheint solch eine Lebensrealität weit weg, doch sie ist für viele Menschen Alltag. Wir stehen in einer verantwortungsvoller Position die Klimakatastrophe abzuwenden. Wir müssen unseren Alltag noch nicht dem nackten Überleben widmen. Wir müssen diese Verantwortung anerkennen und für uns annehmen.“
Daniel,
der heute seinen
letzten Tag als FÖJler von JANUN mit der SCP verbringt und
diese auch
mit organisiert
hat, ergänzt, dass es nicht nur wichtig ist, das eigene Verhalten
kritisch zu reflektieren,
sondern auch Druck auf die Politik auszuüben.
„Wir sind die
Generation, der das Eis unter den Füßen weg
schmilzt und das Wasser
über den Kopf steigen wird. Wir sind die erste Generation, die die
längste Zeit ihres Lebens in der Klimakrise verbringen wird. Und das
werden wir nicht einfach hinnehmen und akzeptieren. Wir sind die
letzte Generation, die entscheidend Einfluss auf die Zukunft unserer
Zivilisation nehmen kann.
Und während wir das verstehen, sind wir umgeben von Menschen, die diese Katastrophe konsequent ignorieren. Es schmerzt so sehr, immer wieder zu merken, welch ein unerklärlicher Unterschied zwischen den wissenschaftlichen Szenarien für unsere persönliche Zukunft und dem Handeln der Mehrheitsgesellschaft liegt. Wie die Verherrlichung von Fleisch, Autos, Wachstum und Privateigentum im Angesicht von kommenden Dürren, Krankheitsausbreitung, Kriegen und vielem mehr schlichtweg einfach furchtbar ist und nicht vertretbar.“
Wir haben konkrete Forderungen und Visionen; ausformuliert als Teil der FridaysForFuture Bewegung in Hannover. Während wir diese Visionen vorstellen, hängt die Ortsgruppe Plakate ans Rathaus. Auf ihnen stehen die Forderungen nach Klimaschutz, der Verkehrswende, nach Mitbestimmung und auch nach sozialer Gerechtigkeit.
Die nächste große Aktion ist das Die-In auf dem Kröpcke, begleitet von konsumkritischen Rufen, wodurch wir viel Aufmerksamkeit für unsere Themen bekommen. Vorbeilaufende Passant*innen bleiben stehen, machen Fotos und fragen nach.
Es wird deutlich, wie viele verschiedene Organisationen sich bei der SCP treffen. Jemensch erklärt die Aktionen von XR, eine andere weißt auf die nächste FridaysForFuture Demonstration hin, Ende Gelände meldet sich zu Wort, die JANUN-Fahnen wehen im Wind und auch die Sprüche, die gerufen werden, gehen in alle Richtungen.
Der Demozug zieht weiter. Auf einer Brücke kommt plötzlich die Anweisung in Zweierreihen zu laufen - und es klappt. Der Anfang der Demo ist schon längst weit in der nächsten Straße, als das Ende gerade mal die Brücke verlässt. Eine La-Ola-Welle läuft mehrfach durch die Kette.
Wieder angekommen am Peter-Fechter-Ufer stellen sich alle Aktivist*innen nochmal in einen Kreis auf. Es wird getanzt, eine letzte La-Ola-Welle geht rum und es gibt viel Applaus für Franzi und ihre Ansagen und Rufe während der Demo.
Doch damit ist der Abend noch lange nicht vorbei. Im Silent Open Air Kino wird ‚Climate Warriors‘, eine spannende Dokumentation über Klimaaktivist*innen in Deutschland und den USA, gezeigt. Auch das Konzert im Innenhof der Glocksee war stark besucht.
Auch im nächsten Jahr soll wieder eine Silent Climate Parade, zusammen mit anderen Silent-Formaten geplant werden. Aber bis dahin muss gar nicht gewartet werden: am 20.09 ist Klimaaktionstag mit großer Demonstration und wenn du bei der Planung der nächsten Klimaaktionen bei JANUN dabei sein willst, sende einfach eine Mail an scp@janun.de.
Die
Silent Climate Parade fand in Kooperation mit vielen anderen
Organisationen statt. Vielen
Dank an alle, die mit
geholfen
haben, diesen tollen Tag auf die Beine zu stellen!