Lützerath lebt
Dystopie und Utopie in einem Dorf
Die Geschichte von Lützerarth...
Lützerath ist ein kleines Dorf aus dem 12. Jahrhundert das aus drei Höfen bestand. Einst lebten dort 105 Menschen. Doch 2006 wurde der klimavernichtende Plan beschlossen, Braunkohle noch weiter auszubauen. Daraufhin wurden die Bewohner*innen umgesiedelt. Bis auf Eckardt Heukamp, dieser sträubte sich und wollte nicht seinen Hof aufgeben. Daraufhin beantragte der Stromanbieter RWE die Enteignung von Heukamps Grundstück, da RWE der Meinung war, dass sein Grundstück in das Gemeinwohl fließen müsse. RWE (meint), nur so könne der Gesellschaft eine gesicherte Energieversorgung garantieren werden. Um dem entgegen zu treten muss Heukamp beweisen, dass die Enteignung rechtswidrig ist und das Land nicht abgebaggert werden darf. Denn dieses wäre eine immense Umweltzerstörung von Natur und Tierraum, die in Kauf genommen würde, um noch mehr Kohle abzubaggern und Profit zu erbeuten. Heukamp stellte seit dem viele Gegenklagen und Eilverfahren. Diese haben bewirkt, dass die Enteignung bis Januar 2022 aufgeschoben wird. Das heißt, dass bis Januar nichts vom Hof gerodet werden darf. Was danach passiert ist unklar!
Mein Erfahrungsbericht vor Ort
Als ich nach einer langen Zugfahrt durch den Ruhrpott endlich in Lützerath ankam, war gerade der Dorfspaziergang zu Ende. Ich sah viele Menschen, die kämpferisch und voller Energie waren, obwohl auf der anderen Seite der Straße ein riesiger Tagebau war. Als wir in das Camp gingen, hatte ich das Gefühl, ich sei auf einem Festival gelandet. Irgendwo zwischen Musik, Pizza und viele Menschen bauten wir unser kleines Zelt auf. Überall wo ich hin guckte waren ganz viel verschiedenste Zelte mit Strukturen von Küchenzelten, bis hin zu Action Points oder Awareness-Zelten aufgebaut. Ich war überwältigt von diesem Bild. Jede*r hatte was zu tun, ob es nun Essen kochen oder abwaschen war oder in verschiedenen AGs, wie bei der "kritischen Männlichkeits AG" oder der Presse AG zu arbeiten. Es war auch vollkommen okay nur herum zu laufen und zu gucken was die anderen machten. Nach einer kleinen Rundtour durch das Camp, stoppte ich bei den Kompost-Toiletten und den verschiedenen Awareness-Zelten. Es hat zum Beispiel das Neurodiversitäts-Zelt für Menschen mit z.B. Autismus, oder das TINA* Zelt für Trans, Inter, Nicht-binäre und A-gender. Diese Zelte waren dafür da, um Menschen ihren safe Space und ihnen Ruhe zu geben. Gegessen wurde nur vegan und immer draußen, sodass mensch immer andere Campbewohner*innen kennenlernen könnte. Nach einer zu kurzen, kalten Nacht, gab es um 9 Uhr Frühstück für uns. Wir schnupperten beim Onboarding für neue Menschen rein und waren beim dem täglichen Plenum dabei. Zudem gehörte ein Antira Input (Antirassistisch) und Updates aus den verschiedenen AGs, sodass jede*r immer auf dem neusten Stand war. Als es hieß, es bräuchte noch Mensch, die helfen mit abzuwaschen und trocknen, halfen wir unzählige Teller und Becher sauber zu machen.
Danach war erst mal Pause für uns, überall würde an Tripods (eine Konstruktion aus drei Baumstämmen, die im oberen Teil verbunden sind und so zu einem dreibeinigen Turm aufgerichtet werden) gewerkelt und an Barrios geschraubt (Barrios sind Baumhausdörfer im Wald), währenddessen lag ich in der Sonne und hörte der Musik vom Klavier zu. Ich dachte, so ein Leben könnte ich mir ewig vorstellen.
Unser Nachmittag wurde von einem Wen-Do Workshop gestaltet. Nach dem intensiven Workshop für Flinta* zur Selbstbehauptung, guckten wir uns die Abrisskante vom Tagebau an. Es machte mir große Angst, so ein riesiges Loch zu sehen und die Maschinen Tag und Nacht zu hören. Sie erinnerten mich, weshalb wir hier waren. Zwischendurch merkte ich ziemlich genau die Seiten zwischen uns, den Bewohner*innen des Camps und den Secus, die auf der anderen Seite für RWE die anderen Häuser beschützten.
Dienstag war leider schon Aufbruch Tag für mich. Nach dem zusammenpacken von der nassen Isomatte und den Schlafsäcken ging ich zu einem Workshop, bei dem ein*e Bewohner*in zeigte, wie mensch sich selbst eine Schaukel bauen konnte. Der Workshop war auf Englisch, da ein Mensch kein Deutsch konnte, sodass auch alle ihn mitmachen konnten.
Danach ging es für mich mit einem seltsamen Gefühl nach Hause in den Alltag. Es war für mich ein großer Kontrast, wo doch eben noch Menschen für den Erhalt von Umwelt und Tierraum gekämpft hatten. Es blieb ein großer Eindruck von viel Mut und Solidarität für Lützerath, dass es mich inspirierte in der Zukunft einmal länger dort bleiben zu wollen.
~Lioba
Und warum das alles?
Es gibt viele Wege, sich aktiv gegen Ungerechtigkeiten zu stellen, sei es Bildungsarbeit, Öffentlichkeitsarbeit oder direkte Aktionen. All das hat seine Berechtigung und läuft parallel. Die Besetzung trägt mit dazu bei, dass die anderen Gruppen über z.B. die gerichtliche Instanz versuchen das Dorf zu verteidigen.
Doch warum greifen Menschen zu diesem Mittel?
Lützerath ist nicht nur irgendein Dorf, sondern ein Dorf mit Symbolcharakter. Ähnlich wie der Hambacher Wald (der auch in der Nähe liegt) geht es hier weniger um das Dorf, als um die grundsätzliche Frage, wie weit wollen wir als Menschen gehen? Ist es gerechtfertigt, Menschen zu vertreiben und Natur zu zerstören für den Profit einzelner? Die Antwort von vielen und auch von mir ist ein Eindeutiges NEIN! Durch Lützerath verläuft die 1,5 Grad Grenze! Das ist nicht nur irgendeine Parole, sondern leider wissenschaftlicher Fakt. Im Auftrag der Initiative "Alle Dörfer bleiben" hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ausgerechnet, wie viel Kohle noch abgebaggert werden darf, damit wir das 1,5-Grad-Ziel erreichen. Und die Antwort war deutlich: Die Kohle unter allen Dörfern und auch dem Hambi muss dafür im Boden bleiben. Auch unter Lützerath!
Und was jetzt?
Somit entsteht für uns, die Menschen die eine Lebenswerte Erde erhalten wollen und das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen der Auftrag, aktiv zu werden. Wir kennen die Zahlen und wir kennen die Fakten. Es ist nun keine Frage mehr des nötigen Wissens, sondern eine Abwägung zwischen Profit von RWE und der Zukunft der kommenden Generationen. Darum haben wir alle die Verantwortung, uns im kleinen wie im großen für Klimagerechtigkeit und dadurch auch gleichzeitig für Lützerath einzusetzen.
We are unstopable, another world is possible!
~Paul
Drohenflug durch Lützerath